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Was Darwins Auge nicht sah

von
übersetzt von Paul Mathis

Charles Darwin selbst hatte Schwierigkeiten zu glauben, dass das menschliche Sehvermögen auf evolutionäre Prozesse zurückzuführen sei. Er sagte:

„Anzunehmen, dass das Auge mit all seinen einzigartigen Einrichtungen für die Justierung des Fokusses auf verschiedene Distanzen, für das Einlassen verschiedener Lichtmengen, und für die Korrektur der sphärischen und chromatischen Aberration, durch natürliche Selektion entstanden sein könnte, scheint, wie ich offen zugebe, im höchsten Grade als absurd.“1

Eye

Später jedoch, im selben Kapitel seines Buches, erklärte er, wie es sich seiner Meinung nach trotzdem entwickelt habe, und dass die „Absurdität“ illusorisch sei. Wenn Darwin das heutige Wissen (welches deutlich größer ist als damals) über das Auge und die mit ihm verbundenen Systeme gehabt hätte, hätte er vielleicht seine naturalistische Theorie über den Ursprung des Lebens aufgegeben.

Eine faszinierende Entdeckung der modernen Ophthalmologie (Augenheilkunde) ist, dass es drei kaum bemerkbare Augenbewegungen gibt, die Darwin noch nicht kannte. Diese drei Mikrobewegungen, die als „Mikrotremor, langsamer Drift und Mikrosakkaden“ bezeichnet werden, werden durch winzige Kontraktionen der sechs Muskeln verursacht, die an der Außenseite eines menschlichen Auges liegen. In jedem Sekundenbruchteil verändern sie automatisch, ohne bewusste Anstrengung des Menschen, geringfügig die Position des Augapfels, und machen so das Sehen, wie wir es kennen, möglich.

Beim Mikrotremor (schnelle Zitterbewegungen mit kleiner Amplitude, Anm. d. Übers.) – der kleinsten und wahrscheinlich faszinierendsten dieser Bewegungen – wird der Augapfel kontinuierlich mit hoher Geschwindigkeit in Zitterbewegungen im Kreis geführt. Dabei beschreiben die auf der Vorder- und Rückseite befindliche Horn- und Netzhaut des Auges Kreise mit einem unglaublich kleinen Durchmesser von ungefähr einem Tausendstel Millimeter (0,001 mm).

Diese Größe ist etwa 70 Mal kleiner als die Dicke eines Blattes Papier. Betrachten Sie aufmerksam die Kante eines Stückes Papier, und versuchen Sie dann, sich 70 Kreise mit dem gleichen Durchmesser vorzustellen (OOOOOOOOOO OOOOOOOOOO OOOOOOOOOO OOOOOOOOOO OOOOOOOOOO OOOOOOOOOO OOOOOOOOOO), die sich Seite an Seite von der Blattunterseite bis zur Blattoberseite reihen. Dann bekommen Sie ein Gefühl für die mikroskopische Natur der Zitterbewegungen, zusammen mit ein wenig Wertschätzung für den Schöpfer, der hier seine konstruktiven Fähigkeiten unter Beweis gestellt hat.

Erstaunliche Zitterbewegungen

Eye with label

Noch beeindruckender an dieser Zitterbewegung ist, dass die dafür verantwortlichen, scheinbar unermüdlichen Muskeln, das Auge 30 bis 70 Mal pro Sekunde bewegen. Wenn die Bewegungen hörbar wären, gäbe es einen tiefen Brummton. Erstaunlicherweise führt jedes Ihrer Augen in fünfeinhalb Stunden im Durchschnitt eine Million dieser kleinen Kreisbewegungen durch. Die Zahl der Zitterbewegungen, die in einem Leben stattfinden, ist astronomisch.

Obwohl diese Augenbewegungen so klein sind, dass man sie ohne enorme Vergrößerung nicht bemerkt, könnte man ohne sie nicht richtig sehen.

Stellen Sie sich vor, diese und alle anderen Augenbewegungen kämen zum Stillstand, während Sie beispielsweise jemandem ins Gesicht schauen. Die lichtempfindlichen Zellen Ihrer Netzhaut (bzw. Retina) würden sich innerhalb kurzer Zeit „stabilisieren“ und aufhören, aktualisierte Informationen ans Gehirn zu senden, wodurch das wahrgenommene Bild innerhalb von Sekunden zu einem eintönigen Grau verblassen würde. Wenn die Person, die Sie anschauen, plötzlich lächeln würde, würde ihr Mund – und nur ihr Mund! – für einen kurzen Augenblick wie aus dem Nichts wieder auftauchen!

(Dies wurde im Labor getestet2 und soll wie das Lächeln der Grinsekatze aus „Alice im Wunderland“ ausgesehen haben.)

Nur ein kleiner Teil des Gesichtes würde wieder sichtbar werden, weil nur der Mund sich bewegt hätte, wodurch dieser Teil des von der Netzhaut wahrgenommenen Bildes sich für kurze Zeit geändert hätte.

Eine ständige Veränderung des Lichtes, das auf die Netzhautzellen Ihrer Augen fällt, ist also essentiell für kontinuierliches Sehen. Daher die Notwendigkeit der Zitterbewegungen, die Gott gemacht hat, um die Netzhaut in jeder Sekunde viele Male mit einem leicht veränderten Bild zu versorgen. Ohne die Zitterbewegungen, die wahrscheinlich die wichtigste Muskelaktivität für normales Sehen sind, müssten Sie ständig umherschauen oder ununterbrochen die Lichtverhältnisse ändern, um ein Objekt länger als ein paar Sekunden am Stück zu sehen.

Während des langsamen Drifts (langsame Abweichungsbewegung, Anm. d. Übers.) gleitet das Auge relativ langsam und gleichmäßig vom betrachteten Ziel weg, bis es einen Winkel erreicht hat, der ungefähr das Zwölffache des Ausschlags einer Zitterbewegung beträgt. In diesem Moment springt das Auge automatisch in einer „Sakkade“ zurück zur ursprünglichen Position. Sakkaden, die bis zu einigen Malen pro Sekunde auftreten, sind sehr schnelle, ruckartige Bewegungen, die benutzt werden, um die durch Drifts entstandenen Abweichungen wieder auszugleichen.

Augen in Bewegung

Eine interessante Methode, um den Effekt von Drifts und den damit verbundenen Sakkaden auf unser visuelles System zu beobachten, besteht darin, sorgfältig eine Grafik wie die hier dargestellte zu studieren. Dieses Experiment wird Ihnen zeigen, dass Ihre Augen sich wirklich immer bewegen, auch wenn Sie denken, dass sie es nicht tun.

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Eine faszinierende Entdeckung seit Darwins Zeit sind drei Arten von kaum wahrnehmbaren Augenbewegungen – Drifts, Zitterbewegungen und Sakkaden. Betrachten Sie die obige Grafik, und Sie werden merken, dass Ihre Augen immer in Bewegung sind, auch wenn Sie meinen, dass sie es nicht sind. Das Bild, das Sie sehen, wird von einem „Nachbild“ überlagert, wodurch ein flimmernder Effekt entsteht, der sich zu bewegen scheint. Versuchen Sie, Ihre Augen stillzuhalten – das Flimmern bleibt.

Schauen Sie intensiv auf den Mittelpunkt der Grafik auf der rechten Seite. Sie sollten einen schwach flimmernden, „psychedelischen“ Effekt sehen, der zu springen scheint, ganz egal, wie sehr Sie sich auch anstrengen, die Augen stillzuhalten. Dieses Phänomen kann noch verstärkt werden, wenn Sie aus einer Entfernung von etwa einer Armlänge auf die Abbildung starren und sich dabei zur Seite neigen oder sich drehen. Jedes Mal, wenn eine zufällige Driftbewegung oder kleine Sakkade auftritt, scheint das neue Bild, das Ihre Netzhaut sieht, mit einem „Nachbild“ des vor einem Sekundenbruchteil Gesehenen zu überlagern oder wechselzuwirken. Dadurch entsteht der Eindruck einer Bewegung in der Grafik. In diesem Experiment sind die Zitterbewegungen (Mikrotremor) zu klein und zu schnell, um einen bemerkbaren Effekt zu erzeugen.

Große Sakkaden kommen bei Suchbewegungen wie beim Lesen zum Einsatz. Sie meinen vielleicht, dass Ihr Blick gleichmäßig über den Text gleitet, während Sie diesen Artikel lesen – ein Buchstabe nach dem anderen, oder ein Wort nach dem anderen – aber dies ist nicht der Fall. Stattdessen springen Ihre präzise ausgerichteten Augen synchron in ruckartigen Sakkaden die Zeilen entlang. In dem Moment, in dem eine Sakkade auftritt, ist Ihre Sicht unscharf, so dass kurze Pausen entstehen, die dem Gehirn Zeit geben, die Buchstaben in sinnvolle Ausdrücke umzuwandeln.

Stellen Sie sich vor, wie schwierig es für einen Menschen wäre, den für die Herstellung des fein abgestimmten Nervensystems notwendigen genetischen Code zu erzeugen, so dass präzise, koordinierte Muskelbewegungen (wie Zitterbewegungen, Drifts und Sakkaden) möglich wären. Als Darwin seine Annahmen über den Ursprung der Organe traf, wusste er – im Gegensatz zu uns heute – von all diesen Dingen nichts. Wäre er sich der Notwendigkeit der winzigen, präzisen, hochfrequenten und springenden Bewegungen des Augapfels bewusst gewesen, die im Wachzustand ständig durchgeführt werden, hätte er vielleicht seine Evolutionstheorie als törichte und realitätsferne Spekulation aufgegeben.

Es gibt wirklich reichlich Hinweise für den Schöpfer und das Werk seiner Hände in allem, was wir um uns herum sehen, und auch in dem, womit wir sehen.

Literaturangaben

  1. Darwin, Charles. The Origin of Species, J.M. Dent & Sons Ltd, London, 1971, S. 167. Zurück zum Text.
  2. David S. Falk, Dieter R. Brill und David G. Stork, Seeing The Light: Optics in Nature, Photography, ColourVision, und Holography, Harper & Row Publishers Inc., New York, 1986, S. 192–193; Arthur S. Freese, The Miracle of Vision, Harper & Row Publishers Inc., New York, 1977, S. 46–49; Tom N. Cornsweet, Visual Perception, Academic Press, New York, 1970, S. 399–404. Zurück zum Text.

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